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Ein Bericht vom 2. Ökumenischen Kirchentag in München – von Christoph Bungard
Am 16. Mai lädt das Wetter nicht gerade zu einem Ausflug ins Freie ein: Es nieselt leicht und mit etwa sieben Grad Celsius ist es für die Jahreszeit viel zu kühl. Trotzdem bin ich bereits kurz nach halb zehn gemeinsam mit meinem Begleiter Hans Müller auf der Münchner Theresienwiese, um den Abschlussgottesdienst des 2. Ökumenischen Kirchentags (ÖKT) mitzuerleben. Durch die dichte Menschenmenge hatten wir uns zu unseren reservierten Sitzplätzen in Block A vorgekämpft.
Hans Müller ist ein lustiger Franke in den Sechzigern. Wir gehören einem Team blinder sehbehinderter und Sehender evangelischer und katholischer Freiwilliger an, die vom 13. bis zum 16. Mai auf dem ÖKT die Arbeit der Blinden- und Sehbehindertenseelsorge beider Konfessionen vorgestellt haben. Ich selbst bin evangelisch und von Geburt an vollblind. Für die evangelische Blindenseelsorgerin für München, Dr. Elisabeth Schneider-Böklen, war es ein Leichtes gewesen, mich zum Mitmachen zu überreden. Dies ist für mich bereits das zweite Mal, dass ich auf einem Kirchentag aktiv mitgewirkt habe: 1995 hatte ich gemeinsam mit einer Gruppe blinder und sehender Funkamateure unser völkerverbindendes Hobby den Besuchern des Evangelischen Kirchentags in Hamburg näher gebracht.
Auf der Bühne, die sich etwa 100 bis 150 Meter von mir und Herrn Müller entfernt befindet, spielt nun eine Gruppe Alphornbläser auf. Nun kann es nicht mehr lange dauern, bis der Gottesdienst beginnt. Da ich keine Thermoskanne mit heißem Tee dabei habe, lenke ich mich von der kalten Witterung ab, indem ich die Geschehnisse der letzten Tage in Gedanken Revue passieren lasse.
Gemeinsame Vorbereitung
Die bayerische evangelische Blinden- und Sehbehindertenseelsorge und das Katholische Blinden- und Sehbehindertenwerk Bayern e.V. hatten gemeinsam die monatelangen Vorbereitungen in der Hand. Pfarrer Lothar Süß verantwortlich auf evangelischer und Josef Stephan auf katholischer Seite. Man zog in der Tat an einem Strang.
Die Planung der ökumenischen Präsenz auf dem Kirchentag wurde konkret am 6. Mai mit einem umfangreichen Vorbereitungstreffen aller Beteiligten in den Räumen des Bayerischen Blinden- und Sehbehindertenbunds (BBSB). Dabei waren wir Münchner Evangelen und Katholiken nicht allein. Die nordbayerischen Mitwirkenden waren hinzu gekommen. Nachdem sich jeder kurz vorgestellt hatte, waren wir noch einmal die Einteilung der Teams durchgegangen. Während das Katholische Blindenwerk auf dem Kirchentag vor allem seine Auslandsarbeit in den Mittelpunkt stellen wollte, beabsichtigte die Evangelische Blindenseelsorge, ihre Arbeit für Blinde und Sehbehinderte darzustellen, die über die Bayern hinaus wirkt. An beiden Ständen sollten die Besucher jedoch die Möglichkeit erhalten, mithilfe von Blindenschriftalphabeten kurze Auszüge aus den Texten für die Bibelarbeit in Schwarzschrift zu übersetzen und unter der Simulationsbrille einmal zu erleben, wie sich eine Sehbehinderung anfühlt.
Bei dem ersten Treffen war es für mich vor allem wichtig gewesen, Oskar Haarbecker und Hans Müller persönlich kennenzulernen. Beide hatten sich dazu bereit erklärt, mir ihre Augen zu leihen und mich abwechselnd an den Veranstaltungstagen von der U-Bahn durch den Trubel zu unserem Stand in der Halle B5 und zurück zu begleiten.
Persönliche Einstimmung
Wieder zu Hause, hatte ich mich mit dem offiziellen Lied zum ÖKT der Popgruppe „Wise Guys“ auf das Motto des Kirchentags „Damit Ihr Hoffnung habt“ eingestimmt: Dieses hat für mich gerade in dieser schwierigen Zeit eine ganz besondere Bedeutung: Nachdem ich Anfang Februar betriebsbedingt gekündigt wurde, bin ich nun auf der Suche nach einer neuen Festanstellung als Online-Redakteur. Sicher, auch unter den Nichtbehinderten gibt es viele Arbeitslose, doch trotz modernster Computertechnik ist gerade unter Blinden und Sehbehinderten die Arbeitslosigkeit mit 70 Prozent besonders hoch. Dies liegt vor allem an den Barrieren in den Köpfen der Arbeitgeber, die sich oft nicht vorstellen können, was ein blinder Mensch zu leisten vermag. wenn ich also eine neue Festanstellung fände, so käme dies einem Wunder gleich.
Gute Vorbereitung zahlt sich aus
An allen Veranstaltungstagen war ich dank der zuverlässigen Hilfe von Oskar Haarbecker und Hans Müller sicher und vor allem rechtzeitig zu unserem Stand in der Halle B5 auf dem Messegelände gelangt. Dort hatten sich zahlreiche und vor allem zwanglose Begegnungen mit den zumeist jugendlichen Besuchern ergeben, die mich zu meiner Blindheit befragten und gerne unser Angebot zur Arbeit mit den Ausschnitten aus den Bibeltexten nutzten. Diese Mühe belohnten wir, indem wir ihnen die Braille-Alphabete als Andenken mitgaben. Ein weiteres beliebtes Andenken waren Zettel mit dem eigenen Namen oder kurzen Texten, die sich unsere Besucher auf Wunsch von uns blinden Helfern mit der Blindenschrift-Schreibmaschine anfertigen ließen. Wenn gerade einmal kein Besucher an unserem Stand war, ergab sich immer eine interessante Unterhaltung über Gott und die Welt mit meinem Team oder unseren freunden vom Katholischen Blindenwerk.
Vielfalt in den Messehallen
Nach getaner Arbeit verschaffte ich mir am 13. und 14. Mai gemeinsam mit meinem Begleiter Hans Müller einen Überblick über das vielfältige Angebot auf dem Messegelände. So stellten wir beide erstaunt fest, dass die Partei „Die Linke“ mit einem Stand vertreten war, informierten uns über eine kirchliche Organisation zur Förderung der Landwirtschaft und lauschten einer prominent besetzten Podiumsdiskussion zur Internet-Nutzung. Bei Apfelschorle und Bratwurst tauschten wir uns während unserer Erholungspausen über die neuen Eindrücke aus.
Was geht – was bleibt
Wieder zurück in der Realität auf der Münchner Theresienwiese, höre ich, die wie die Organisatoren des Kirchentags per Lautsprecher noch einmal alle Besucher des Abschlussgottesdienstes recht herzlich begrüßen und willkommen heißen. Irgendwie kann ich noch gar nicht glauben, dass die schönen Tage in etwa zwei Stunden zu Ende sein werden, denn die Zeit ist wie im Flug vergangen. Der Beginn der letzten Großveranstaltung läutet zwar das Ende des 2. Ökumenischen Kirchentags ein, doch was bleibt, ist die Erinnerung an unvergessliche Stunden mit Begegnungen voller Harmonie und Fröhlichkeit und die Hoffnung, mit Gottes Hilfe bald einen neuen Arbeitsplatz zu finden.